Freitag, 23. Mai 2008

Superhirn sucht Kontakt bis ins All

Den Gravitationswellen auf der Spur: In der Leibniz-Uni ist der größte und schnellste Spezialcomputer ans Netz gegangen.

Sie gelten als Schlüssel zu den Geheimnissen des Universums: Internationale Forschergruppen suchen intensiv nach Schwerkraftwellen im All – spüren sie diese tatsächlich auf, wird diese wissenschaftliche Sensation zuallererst in Hannover bestätigt werden können. Denn im Albert-Einstein-Institut (AEI) der Leibniz-Uni steht seit gestern ein Hochleistungscomputer, in dem sämtliche Messdaten von Forschern aus den USA, Großbritannien, Italien und Frankreich zusammenlaufen und mit den Ergebnissen der hannoverschen Wissenschaftler verglichen werden. „Atlas“ heißt das neue Superhirn – es ist der weltweit größte und schnellste Spezialcomputer für die Gravitationswellenforschung.

Das Institut in der Callinstraße, das die Leibniz-Uni und die Max-Planck-Gesellschaft betreiben, wurde von der internationalen Forschergemeinde als Standort für „Atlas“ ausgewählt. Das sei eine „besondere Auszeichnung“ für die Qualität der Arbeit der hannoverschen Kollegen, sagte Prof. Bruce Allen, einer der „Väter“ des Supercomputers. Allen hat am renommierten MIT in den USA studiert und bei dem weltbekannten Physiker Stephen Hawking promoviert; seit anderthalb Jahren leitet er das AEI zusammen mit Uni-Physiker Prof. Karsten Danzmann.
Danzmann und sein Team sind den Gravitationswellen seit 14 Jahren auf der Spur. Im internationalen Vergleich zählen die Hannoveraner zu den führenden Forschergruppen auf ihrem Gebiet. Sie haben hochempfindliche Laserdetektoren entwickelt, die auf winzigste Schwingungen reagieren und so die geheimnisvollen Wellen orten sollen. Die Messgeräte kommen in der Uni-Außenstelle in Ruthe im Spezialdetektor „Geo 600“ zum Einsatz – und sind Vorbild für die Kollegen in den USA. „Die Milchstraße in 50 000 Lichtjahren Entfernung haben wir längst im Blick“, sagt Institutsmitarbeiter Peter Aufmuth. Auch in andere Galaxien, die mit 30 Millionen Lichtjahren unvorstellbar weit entfernt sind, können die Forscher vom Boden aus vordringen.

Und sie wollen höher hinaus. Für 2018 planen die Weltraumbehörden NASA und ESA die internationale Satellitenmission „Lisa“. Ziel ist es, die Wellen nicht nur von der Erde aus, sondern auch direkt im All aufzuspüren. Die Uni-Forscher sind für das technische Innenleben der Satelliten verantwortlich, die in die unendlichen Weiten geschickt werden sollen. Eine Probemission ist für 2010 geplant.

Bis dahin wird Superrechner „Atlas“ schon eine immense Datenmenge verarbeitet haben. „Wir erhalten bereits jetzt täglich 50 bis 100 Gigabyte an Informationen“, sagt Aufmuth. Der Datenberg wird schnell wachsen: „Atlas“ durchforstet fortan alle Messergebnisse, die von den internationalen Observatorien übertragen werden, nach Anzeichen von Gravitationswellen. Über Rechenzentren im kalifornischen Pasadena, Bologna und Potsdam werden die Daten nach Hannover weitergeleitet.

Doch das ersehnte wissenschaftliche Ziel, die Wellen tatsächlich messen zu können, steht noch aus. Aufmuth ist zuversichtlich, dass es bis zum Erfolg nicht mehr allzu lange dauert: „In fünf Jahren müsste es so weit sein.“ Dann hätten die Forscher den Schlüssel zu den Rätseln des Alls in der Hand – in irdischen Ebenen wären sie aussichtsreiche Kandidaten für einen Nobelpreis.

Bericht von PAZ-Online von Juliane Kaune Foto: PAZ-Online und Blog von BR-Online

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